Christy Schwundeck – wer ermittelt?
Am 19.Mai 2012 versammelten sich ungefähr 30 Menschen vor dem ehemaligen Jobcenter Gallus, anlässlich des einjährigen Todestag Christy Schwundecks. Blumen, Kerzen und Schilder wurden von den Versammelten aufgestellt. Mehrere Redner drückten ihre Trauer aus und mahnten die Umstände von Christys Tod nicht zu vergessen, denn Christy wurde hier, im ehemaligen Jobcenter, von der Polizei getötet.
Als sie am 19.Mai 2011 das Jobcenter wegen 10€ aufsuchte, verließ sie es nicht mehr lebendig. Sie hatte sich geweigert, die Arge ohne das ihr zustehende Geld zu verlassen, woraufhin der zuständige Sachbearbeiter eine Polizeistreife hinzuzog. Im Zuge der Polizeikontrolle habe Christy dann ein Küchenmesser herausgezogen und einen der Polizisten bedroht, woraufhin dessen Kollegin in den Flur zurück wich und Christy Schwundeck mit einem Schuss in den Bauch tötete. Viel Genaueres über den Tathergang ist nicht bekannt, laut einem Bericht der FR vom 14.07.2011 (,Tod im Jobcenter‘) ist aber nicht einmal der Gebrauch des Messers eindeutig bewiesen, so gab der zuständige Sachbearbeiter, der sich im Raum befand, an, das Messer ,,definitiv nicht gesehen‘‘ zu haben. Und auch in anderen Punkten widersprechen sich die Zeugenaussagen, so ist zum Beispiel nicht gesichert, ob sich Christy überhaupt auf die im Flur stehende Polizistin zubewegt hat. Trotz all den Unklarheiten über den genauen Tathergang wurden die Ermittlungen nun Anfang Januar 2012 eingestellt. Ein Verfahren gegen die schießende Polizistin hat es nie gegeben.
Begründung: die aus dem Flur heraus in Anwesenheit von einem weiteren Polizisten und mindestens einem Sachbearbeiter, schießende Polizistin habe eindeutig aus Notwehr gehandelt und es müsse zugunsten der Beamtin angenommen werden, dass sie auf einen ‘‘guten Ausgang‘‘ des Schusswaffeneinsatzes vertraut habe. Ein Warnschuss, ein Schuss in die Extremitäten oder ein milderes Mittel wie der Einsatz von Pfefferspray oder eines Schlagstockes sei wegen des verbleibenden Risikos eines Angriffs für die Beamtin nicht zumutbar gewesen. Die Polizistin erläuterte dazu, sie habe den ,,Hass‘‘ in dem ,,total irren Blick’’ Christy’ gesehen. Kann also eine als Bedrohung empfundene Situation schon Freischein zur Tötung eines Menschen sein? Oder wiegen die Aussagen einer Weißen Polizistin einfach mehr als der Tod einer Schwarzen Frau? Das Vorgehen der Justiz erinnert an Fälle der Vergangenheit, in welchen ebenfalls der Tod Schwarzer Menschen durch deutsche Polizisten niemals aufgeklärt wurde! So starb Mariame N‘Deye Sarr unbewaffnet in ihrer Wohnung in Aschaffenburg durch zwei Schüsse, der Freispruch erfolgte kurz darauf: Notwehr. Auch der Tod Oury Jallohs 2005 in einer Polizeizelle in Dessau sollte schnell unter den Teppich gekehrt und nie aufgeklärt werden. Doch hier regte sich der Widerstand. Freunde von Oury Jalloh taten sich zusammen und erzwungen durch Proteste die Aufnahme eines Verfahrens gegen die diensthabenden Polizisten. Das Verfahren läuft nun schon seit 7 (!) Jahren, das Ergebnis ist noch offen. Trotzdem zeigt das Engagement der Oury Jalloh-Initiative, dass durch öffentlichen Druck und Beharrlichkeit eine juristische Aufklärung durchaus erkämpft werden kann.
Auch für Christy haben sich Menschen zusammengeschlossen um ihren Tod vor dem Vergessen zu bewahren. Unter dem Motto ,,Aufklärung und Gerechtigkeit, immer noch!“ hat die Initiative-Christy-Schwundeck am 2.Juni für die Wiederaufnahme der Ermittlungen und ein rechtsstaatliches Verfahren protestiert. Wir von der Arbeitsgruppe Antirassismus unterstützen das Anliegen der Initiative und fordern euch auf, weiter mit uns für Aufklärung im Falle Christy Schwundeck zu kämpfen!
Der Kampf für Christy ist auch ein Kampf für all die Anderen Opfer polizeilicher Gewalt – und dafür dass die Angriffe auf die Schwarze Community in Deutschland aufhören!